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ZÜNDFUNK RADIO SHOW Autorenstatement Post2PDF

„If you´re listening to the radio - not your show - but most radio

they just play the same songs: they just play top-ten.

It´s a bit depressing really“

(Paul Weller in: Zündfunk Radio Show)

Zündfunk ist eine Oase, eine der besten Radioideen, die der Bayerische Rundfunk je gehabt hat. Selbst Paul Weller kann hier völlig undeprimiert zuhören. Hier wird der öffentlich-rechtliche Auftrag (Information, Bildung & Unterhaltung!) wirklich ernst genommen. Ab 1974 als „Jugendfunk“ und seit einigen Jahren als „Szene-Magazin“. Wenn es beim Zündfunk um Depression geht, dann aber richtig: „Die Privatisierung der Depression. Mark Fisher, Hauntology und der kapitalistische Realismus“, 60minütige Sendung von Florian Fricke. Irre, das wäre im dokumentarischen Fernsehen schon lange nicht mehr denkbar. Das muss man im Podcast zweimal hintereinander hören und danach gleich zur Buchhandlung gehen und vertiefen. Mit der Musik ist es genau so. Musik ist hier Inhalt und hat Geschichte. Popmusik abseits des Mainstreams wird als eine ernste Sache verhandelt, ist der lebensrettende Soundtrack für eine zerbrechliche Jugend oder auch Guide durch die Midlife-Crisis. „Wir spielen manchmal Sachen, da schnallst Du ab“, sagt Zündfunk-Moderator Achim Sechzig Bogdahn. So soll es sein. Und natürlich gibt es eine Sendung in der die aktuellen Album-Charts u.a. vom Suhrkamp-Autor Thomas Meinecke auseinander genommen werden. Zündfunk ist immer überraschendes Radio, mit eigenen Zugängen und eigener Haltung. Neben dem wochentäglichen Magazin auf Bayern 2 (eine Stunde ab 19.00 Uhr) gibt es zahlreiche weitere Sendungen der Zündfunkredaktion: Nachtmix, Nachtsession, Generator, Langstrecke, City of Pop… Es ist schwer, im Zündfunk-Universum nicht die Orientierung zu verlieren. Aber auch das ist ja typisch Zündfunk: „Man muss auch mal kryptisch sein dürfen.“

Radio war mal eine große Wundertüte. Daran erinnert der leicht nostalgische Dokumentarfilm „La Maison de la Radio“ von Nicolas Philibert. Dieser Film von 2012 ist unser Vorbild: Philibert zog mit der Kamera ein halbes Jahr durch die endlosen Gänge im runden Haus von Radio France an den Ufern der Seine. Er filmte Menschen, die sich mit Hingabe und Detailversessenheit ihrer Arbeit widmen. „Best practice“ erfahrbar machen, darin war der Dokumentarfilm schon immer besonders effektiv - und in der geduldigen Darstellung von Institutionen. In „La Maison de la Radio“ entsteht ein eigenes Universum aus Sendungen, Konzerten, Lesungen, Talks und Aufnahmen vor Ort. Die Magie des Radios, ein bilderloses Medium, das gerade weil es „blind“ ist, den Filmemacher besonders herausfordert. Nicolas Philibert bezeichnet sich zudem als eine Art Anti-Michael Moore: Statt wie dieser dem Zuschauer immer genau zu sagen, was er denken soll, zeigt Philibert etwas, das einen zum Nachdenken bringt - Also ganz „zündfunkisch“ gedacht.

Wie auch in unseren anderen Arbeiten, haben wir diesen filmischen Ansatz weiter verfolgt und auf Interviews oder Kommentar verzichtet. Aber wir wollten nicht allein Performances und Programmperlen aneinander reihen, sondern auch die redaktionelle Arbeit, den besonderen Zündfunk-Geist in den Blick nehmen. Die tägliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Programm, die Selbstdefinition der Macher und die Abgrenzung zu anderen Radioprogrammen. Wir haben Gespräche gefilmt, in denen die Unsicherheit angesichts des rasanten Medienwandels thematisiert wird, Diskussion über die geringen Honorare im Medienprekariat und wie man junge, gute Autoren dennoch an den Zündfunk binden kann. Was ist der ideale Zündfunk, was sind seine Elemente, seine Struktur?

Als wir unser Filmprojekt in der großen Zündfunk-Redaktionsbesprechung an einem Freitag vorstellten, hockten wir auf umgedrehten Wasserkästen und blickten in 40 interessierte, aber auch herausfordernde Gesichter von Menschen, die einfach kreuz und quer im Raum verteilt saßen. Das hat uns sehr gefallen: zu Besuch in einer diskussionsfreudigen WG mit Sendeerlaubnis, Vision und Team-Spirit im 16ten Stock des Funkhauses hinterm Münchner Hauptbahnhof. „Hier hat das Funken noch Verstand“ schrieb Ulrich Stock in seinem programmatischen Artikel „Rettet das Radio“ (Die Zeit vom 11.05.2007), der auch eine wichtige Inspirationsquelle für unseren Film ist: „Der Zündfunk verbindet Nähe zum Geschehen mit Professionalität. (…) Und dies nicht aus Gutmenschentum oder Kalkül, sondern aus Engagement, Begeisterung und nüchternem Urteil. So vereint der Zündfunk Tradition und Fortschritt, Beharrungsvermögen und schnelle Reaktion. Hier gab´s die erste Technosendung bundesweit, den ersten Housemix. Für das Ansehen des Bayerischen Rundfunks unter Musikfreunden ist die Sendung unbezahlbar - anderswo wäre sie längst abgeschafft.“

ZÜNDFUNK RADIO SHOW ist  eine filmische Liebeserklärung an eine immer wieder spannende Radiosendung und das Porträt einer Gruppe von engagierten Journalisten mit guten Musikgeschmack. Oder: Arbeit am Radio der Zukunft - „Stay Tuned!“

Jörg Adolph / Gereon Wetzel

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